Kapitel 1 - Leben in vollen Zügen

Er sah, dass sie fast unmerklich zusammenzuckte. Schließlich setzte sie worteringend zum Sprechen an. Ihm schien, als wollte sie im ersten Moment etwas anderes sagen, als tatsächlich über ihre Lippen kam. Seine Vermutungen könne er sich sparen. Wie sich ihre Wochenenden gestalteten, darüber brauche er sich wirklich keine Sorgen machen.

»Das können Sie schon mir überlassen«, entgegnete sie abwehrend.

Arnulf bemerkte, dass ihre Stimme, die leicht gepresst klang, nicht zu ihrer gestenreich unterstützten Verteidigung passte. Der Widerspruch zwischen ihrer Körpersprache und dem, was sie sagte, war überdeutlich. Er versuchte, sie zu besänftigen, habe ihr nicht zu nahetreten wollen. Es sei ihm aber aufgefallen, dass viele ihrer Wochenenden anders verlaufen seien, als sie vorgehabt habe. Die Verabschiedung in Heppenheim war knapp und recht kühl. Als er am nächsten Montag seinen Computer hochfuhr und seine Mails kontrollierte, war bereits eine von Gloria Sagarra eingegangen.

Hallo, Herr Hülferich, Sie können sich freuen. Sie haben nämlich leider mit Ihrer Unkerei recht behalten. Ich war nicht im Kino. Meine Freundin, mit der ich mich verabredet hatte, hat unerwartet Besuch bekommen und musste deshalb absagen. Allein wollte ich nicht gehen. Anschließend will man doch über das Gesehene reden. Ich denke aber, dass der Film auch nächste Woche noch laufen wird. Der Besuch ist also nur aufgeschoben.

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Gloria Sagarra

Arnulf mailte postwendend zurück, dass er sich nicht freue, sondern ihr sehr wohl gewünscht habe, dass es mit dem Kinobesuch geklappt hätte. Außerdem sei er derselben Meinung wie sie, dass der Film noch eine Weile in den Kinos bleiben werde. Alle Welt spräche über ihn.

Was er nicht schrieb, aber unbedingt herausfinden wollte, von Treffen zu Treffen mehr und mehr, war, warum die junge Frau ein ungewöhnliches Privatleben führte, vorausgesetzt, sie hatte überhaupt eines. Als sie sich nach ein paar Tagen erneut auf dem Bahnsteig trafen, schien Gloria die Angelegenheit vergessen zu haben; er sprach sie nicht wieder darauf an, behielt sie aber sehr wohl im Gedächtnis. Irgendwann würde er einen erneuten Versuch unternehmen, hinter die Fassade zu blicken, die seine Zugbekanntschaft ganz offensichtlich