Kapitel 1 - Leben in vollen Zügen

billigstes Massenobst sind. Und im kastilischen Hochland kann es verdammt kalt werden, schon im Herbst. Schuhe hatten sie auch keine. Murillo gefällt mir aber trotzdem und Spanien interessiert mich bis heute. Das Thema hat ihn übrigens nicht losgelassen. Er hat einen ganzen Zyklus davon gemalt, ein Bild eindrucksvoller als das andere. Wenn Sie mal nach München in die Alte Pinakothek kommen, dann vergessen Sie nicht, sie anzuschauen. Es lohnt sich. Noch als Junge habe ich auch Feuchtwanger gelesen, Goya oder der arge Weg der Erkenntnis und, wenn ich mich richtig erinnere, eine Novelle über El Greco, irgendwas mit der Inquisition. Mehr fällt mir jetzt nicht ein. Ich schau' heute Abend gleich nach und maile Ihnen morgen den Titel.«

»Das brauchen Sie nicht. Ich kenne die Novelle. Sie heißt El Greco malt den Großinquisitor. Ich habe sie vor nicht allzu langer Zeit gelesen. Von den alten Spaniern faszinieren mich Velasquez, Zurbarán und natürlich El Greco. Seine Mariengesichter finde ich einzigartig. Bei uns zu Hause gibt es nur eine kitschige Nordseeküste im Wohnzimmer, wie man sie in jedem norddeutschen Warenhaus kaufen kann, und die Schmerzensmutter überm Ehebett. Kunst hat bei uns keinen Stellenwert. Das hab ich Ihnen ja schon gesagt. In der Küche hängt ein Werbekalender der Automarke, die mein Vater gerade fährt. Das ist alles. Dafür aber unendlich viel Krimskrams von unseren Reisen. Korkbilder aus Mallorca und Olivenholzschnitzereien von den Kanaren, von jeder Insel, auf der wir waren, eine andere und doch alle irgendwie gleich aussehend. Ich darf aber nichts sagen, sonst sind meine Eltern sauer und lassen es mich büßen.«

Aber sie könne, insistierte er mit einer gehörigen Portion Chuzpe, doch mit ihren Freunden und Arbeitskollegen über Kunst reden. Gloria lachte und verzog dabei verächtlich die Mundwinkel.

»Mit meinen Arbeitskollegen?! Der Theateralltag ist profan. Da hat niemand Zeit für so etwas. Zu Hause schauen alle in die Glotze und gucken Sport oder Krimis ohne Ende. Seien Sie ehrlich: Hören Sie zu Hause viel Radio?«

Arnulf wollte etwas sagen, aber Frau Sagarra wollte jetzt keine Antwort, sondern sprudelte weiter.