Kapitel 1 - Leben in vollen Zügen

»Und bei meinen Bekannten ist es genauso. Freunde kann man die nicht nennen. Viele sind es eh nicht. Die kann ich an einer Hand abzählen. Klatsch und Kino, Sport und Geld, Disco und Chatten. Viel mehr ist da nicht. Alles ziemlich öde. Ich treffe mich auch nur selten mit jemandem.«

Abrupt schwieg sie. Arnulf konnte an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, dass sie sich bewusst geworden war, Dinge gesagt zu haben, die sie eigentlich nicht sagen wollte. Sie nahm ihre Sätze mit der Bemerkung zurück, ein bisschen ungerecht gewesen zu sein. Eigentlich seien sie ja alle nett, und sie würden schon vieles zusammen unternehmen. Es gefalle ihr halt nicht alles und manchmal sehe sie die Dinge wohl etwas einseitig. Als sie in Heppenheim ausstiegen, bedankte sie sich herzlich bei ihm. Ihre Augen strahlten und auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln. Eine wunderbare, kurzweilige Fahrt sei das gewesen, sagte sie. Es sei schön, jemanden zu kennen, der ähnliche Interessen habe wie sie.

»Und denken Sie an mein Buch. Ich möchte es unbedingt haben«, rief sie ihm im Weggehen nach.

Während Gloria Sagarra zur Bushaltestelle ging, steuerte Arnulf den Parkplatz an. Dort wartete bereits Monika auf ihn, die ihn regelmäßig am Bahnhof abholte. Dabei ging ihm nochmal das Gespräch mit Gloria durch den Kopf. Innerlich schüttelte er den Kopf bei dem Gedanken an Glorias Freunde. Mehr und mehr war er der Ansicht, dass sie, wenn überhaupt, nur ganz wenige hatte, wahrscheinlich keine.

über ihre Arbeit am Landestheater sprach sie wenig. Doch mit der Zeit gelang es Arnulf, ihr auch da Informationen zu entlocken. Als er im Gegenzug seinen Büroalltag schilderte und deutlich machte, dass der weit weniger interessant sei, als sie annehme, protestierte sie vehement.

»Das glaub ich Ihnen nicht. Ihr Job ist bestimmt interessant. Auf jeden Fall interessanter als meiner. Der ist meist ziemlich langweilig, dafür aber stressig. Außerdem muss ich froh sein, überhaupt etwas gefunden zu haben.«