Kapitel 1 - Leben in vollen Zügen

»Denken Sie nicht, dass ich schon satt bin. Es reicht gerade bis nach Hause. Da gibt's Pudding. Den habe ich schon gestern gekocht. Pudding ist eine meiner Leibspeisen.«

»Und was essen Sie sonst noch gern?«

»Das übliche, wie viele Frauen: Salate, Gemüse, Kartoffeln mit Quark, Süßspeisen und natürlich Dampfnudeln. Wenig Fleisch. Fisch mag ich nicht. Als Kind hab ich mich mal an einer Gräte verschluckt. Ich dachte, ich ersticke. Das wirkt immer noch nach. Außerdem kenne ich nicht allzu viel. Meine Mutter ist nicht die größte Köchin. Das hat sie mir vererbt. Das Essen im Theaterkasino ist auch nicht gerade eine Wonne. Heute gab's mal was anderes: Etruskische Nudeln. Wirklich super. Haben Sie das schon mal gegessen?«

Er schüttelte den Kopf.

»Ich würde gern mal was Neues kennenlernen. So wie ich Sie einschätze, müssten Sie mich da beraten können.«

Dieser Satz überraschte ihn. So etwas hatte sie bislang nie gesagt. Ein Stück neue Offenheit? Vertrauenszuwachs? Er konnte es nicht einschätzen, wusste nicht recht, was er antworten sollte, freute sich aber. Schließlich reagierte er mit einer Gegenfrage, von der er sich neue Informationen über seine Zugbekanntschaft versprach.

»Und warum gehen Sie nicht hin und wieder mal mit Ihren Freunden essen?«

»Ach die; die essen hauptsächlich Pommes, Pizza, Döner, Hamburger. Fastfood. Oder, wenn's hoch kommt, Schniposa. Das ist nun wirklich kein gastronomisches Erlebnis.«

»Schniposa?«

»Schnitzel, Pommes und Salat.«

»Da merk ich doch gleich, dass ich alt bin. Den Ausdruck kannte ich noch nicht.«

Glorias Informationen klangen erneut nicht nach einer Clique, der sie sich wirklich zugehörig fühlte, nach einer Gruppe von Gleichgesinnten, mit der sie gerne in ihrer freien Zeit etwas unternahm. Wenn sie wirklich etwas Neues kennenlernen wollte, wäre das ein Leichtes für ihn. Er könnte sie zu sich nach Hause zum Essen einladen und zusammen mit Monika etwas Ausgefallenes kochen. Gefüllte Kalbszunge oder Kalbsherz in Kapernsauce.