Kapitel 1 - Leben in vollen Zügen
verladenen Sachen wieder auszuladen und abzufahren. Nur mit größter Mühe gelang es Glorias Mutter, ihren cholerischen Mann einigermaßen zu besänftigen und die Möbelpacker zur Weiterarbeit zu bewegen. Danach ging es Richtung Darmstadt, wo die Fuhre abgeladen wurde. Als Arnulf Gloria Sagarra ein paar Tage später eine Mail schickte und sich erkundigte, ob sie sich schon eingelebt habe, erhielt er eine verzweifelte und hoffnungslose Antwort. In der Wohnung rieche es unerträglich, ja stinke es. Sie habe das zwar schon vorher gemerkt, aber die Vermieterin habe ihr versichert, dass sich das bald verlöre. Sie bekäme regelrecht Atemnotanfälle, so scheußlich sei die Luft. Wenn sich das nicht sehr bald bessere, müsse sie wieder ausziehen. Dann sei zudem das Geld, das sie in die Renovierung gesteckt habe, verloren; ebenso das für die bestellte Küche, die sie nicht mehr benötigen werde. Da sei jetzt eine beträchtliche Abstandszahlung fällig. Alles sei ganz furchtbar, aber das sei typisch für sie.
Arnulf tat die Frau in der Seele leid, ganz unabhängig davon, was an der Sache letztlich dran war. Er versuchte, sie zu beruhigen, meinte, der Geruch käme sicherlich von der Renovierung und den Putzmitteln und werde sich bestimmt in wenigen Tagen verflüchtigen. Insgeheim zog er auch andere Gründe für das Desaster in Betracht, angefangen damit, dass sie einfach psychisch mit der neuen Wohnsituation, etwa dem allabendlichen Alleinsein, nicht klar kam. Es dauerte nur ein paar Tage, dann hatte er eine Nachricht in seinem E-Briefkasten, in der Gloria Sagarra ihm mitteilte, dass sie zurück in ihr Elternhaus geflüchtet sei. Wie dieser Rückumzug vonstatten gegangen war, ob da weitere Katastrophen über sie hereingebrochen seien, wollte er nicht wissen, und Gloria Sagarra verriet ihm auch nichts darüber. Von Freunden, gar einem Freund oder Lebenspartner, der ihr in all diesen Situationen geholfen hätte, war nie die Rede. Eine Freundin gab es wohl noch aus der Zeit, als sie in Ludwigsburg studiert hatte, aber das reichte nur zu gelegentlichen Besuchen, die auch nicht immer spannungsfrei verliefen. Die beiden Frauen sahen sich zu selten, hatten inzwischen unterschiedliche Bedürfnisse und befrachteten ihre gegenseitigen Treffen mit überzogenen Wünschen und Hoffnungen.